Seit Tagen hockt Tali auf dem Teppich am Ofen, eine Flasche kaltes Wasser neben sich. Das Feuer ist längst erloschen, und er schützt sich mit einer dicken Decke. Trotzdem zieht ihm der beständig brausende Wind alle Kraft aus den Knochen.
Als Talis große Schwester Afzelia mit dem Vater aufbrach, war der Himmel noch blau und kein Sandkorn am Himmel zu sehen. Also machten sie sich wie vereinbart auf den Weg ins Niburtal, um mit der Aufforstung zu beginnen. Tali weinte vor Wut, weil er nicht mitdurfte. Es dauerte lange, bis das Shuttle in der Weite der baumlosen Steppe verschwunden war. Das Familienfahrzeug, ein alter Wasserstoff-SUV, blieb hier in der Basisstation zurück.
Natürlich hatte man sie vor dem Arekan gewarnt. Tali hofft, dass seine Schwester und der Vater es rechtzeitig bis ins Lager geschafft haben und dass sie dort sicher sind. An Pflanzarbeiten ist im Moment nicht zu denken. Sie können froh sein, wenn ihnen die jungen, wertvollen Setzlinge nicht um die Ohren fliegen; ebenso die leichten Zelte, die ihnen wahrscheinlich als Unterschlupf dienen.
Tali fragt sich, wie lange ihre eigene Behausung noch standhalten wird. Ihre einheimischen Helfer sagen, die Jurten sind für Schlimmeres ausgelegt als diesen Sturm. Er muss einfach glauben, dass sie recht haben. Trocken und schwer greift der Wind nach den dünnen Wänden, dringt durch jedes noch so winzige Loch und bläht das Innere des Zeltes auf, sodass Tali erwartet, jeden Moment samt seinem Teppich in die Höhe gehoben zu werden.
Er zurrt die warme Decke fester um sich. Die Auftraggeber haben einiges investiert, um der Familie den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. Doch das Warten macht ihn fertig, er versinkt in seinen Gedanken wie in Treibsand. Was, wenn Afzelia und sein Vater nicht rechtzeitig Unterschlupf gefunden haben? Was, wenn sie im Shuttle eingeschlossen sind? Wie lange können sie mit ihrem kleinen Wasservorrat aushalten? Werden Regierungseinheiten den Ausländern zu Hilfe kommen? Immerhin sind sie intergalaktisch angesehene Experten für Aufforstung. Die Grünen Mauern in China und in der Sahara, das ganze diffizile System aus Neuem Wald, der mit seinem Kohlendioxidhunger den Klimawandel auf Talis Heimatplaneten in Schach hält – dies alles geht auf eine Forschungsgruppe unter der Leitung seines Vaters zurück. Und auch Afzelia ist bereits eine brillante Nachwuchswissenschaftlerin.
Am Zelteingang lehnt Talis Mutter wie ein dunkler Schatten. Durch das Glas seiner Wasserflasche betrachtet, erscheinen ihre Beine in den weiten Hosen fast normal, während ihr Oberkörper zu einem Stecknadelkopf zusammengeschrumpft ist. Erst, als sie näherkommt, tauchen ihre Schultern und ihr Gesicht unverzerrt in Talis Blickfeld auf. Sie geht an ihm vorbei zur anderen Seite des Zelts, wo die Essensvorräte und das Laptop lagern. Nur einmal am Tag fährt sie es hoch, um nachzusehen, ob ihr Mann oder Afzelia sich gemeldet haben. Solange die Sonne verdunkelt ist, sind sie auf die Akkus angewiesen.
Tali kann nicht widerstehen, er schaltet unter der Decke sein Tablet an und ruft die Karte auf, die das Einsatzgebiet der Aufforstungsgruppe zeigt: Irgendwo dort draußen müssen sie sein. Auf einer der dunklen Inseln, die das letzte Land markieren, das noch nicht von beigefarbenem Sand bedeckt ist. Mit jedem Arekan wie diesem wird die Lage aussichtsloser. Und wie immer hat die Regierung gewartet, bis es beinahe zu spät ist.
Talis Mutter seufzt. Er hört, wie sie das Laptop zuklappt und in den Essensvorräten wühlt. Dann kommt sie zu ihm herüber und reicht ihm einen Teller mit kaltem Fleisch und Brot. Als Tali hineinbeißt, knirscht es. Seit Tagen ist jedes Essen mit feinem Sand durchtränkt wie von einer ätzenden Flüssigkeit.
"Es macht mich wahnsinnig, dass ich nichts tun kann", murmelt Talis Mutter. Mehr zu sich selbst als zu ihrem Sohn, von dem sie glaubt, dass er zu jung ist. Dann streckt sie sich ebenfalls auf dem Teppich aus, kaum einen Meter von ihm entfernt. Bald schläft sie ein – zum ersten Mal, seitdem der Sandsturm tobt.
Tali hingegen bleibt hellwach. Unter der Decke greift er nach seinem Rucksack, schiebt die noch volle Wasserflasche hinein, Fleisch und Brot, das Taschenmesser. Der SUV-Transponder steckt schon seit Tagen in seiner Hosentasche. Er wartet, bis der Sturm kurz Atem holt. Dann schlüpft er hinaus in den Schatten der Jurte.
inspiriert von der Ausstellung EAM - Science meets fiction
Es heißt ja SchreibWERKSTATT und das kann man ruhig wörtlich nehmen: Kurz vor Weihnachten und zwischen den Jahren habe ich hier umgebaut, gebohrt und geschraubt. Auf das Ergebnis bin ich mächtig stolz. Endlich habe ich eine Lösung gefunden, bei der ich meinen einsamen Schreibplatz mit wenigen Handgriffen in einen Gruppenraum für sechs Personen (plus Leitung) verwandeln kann und wieder zurück. Es gibt eine große, weiße Tischplatte (analog zum inspirierenden weißen Blatt) und einen süßen kleinen Anbautisch aus Naturholz mit den perfekten Maßen, den ich je nach Bedarf dazu- oder wegstellen kann.
Gleich nach Silvester setzte ich einen Neujahrsvorsatz um und dübelte das Whiteboard an die Wand, welches bisher auf einer wackeligen Pseudo-Staffelei gestanden und dabei viel Platz gefressen hatte. Nach den wenig ermutigenden Worten meines Vermieters wollte ich schon wieder aufgeben - aber nur beinahe, denn mein handwerklicher Ehrgeiz war entfacht. Ich packte also die Schlagbohrmaschine aus, die ich anno 1995 als Studentin bei einem Discounter erstanden habe - nicht gerade das Highlight unter den Bohrgeräten. Auch mein Bohrersatz ist schon ziemlich abgenudelt ... schließlich brauche ich beides nur alle heiligen Zeiten. Dann nehme ich mir regelmäßig vor, mich endlich besser auszustatten. Was ich nach erfolgreicher Heimwerkerei schnell wieder verdränge.
Bei dem ersten Dübelloch fühlte es sich an, als würde ich mit einem Zahnstocher in einem Stahlträger popeln. Doch immerhin löste sich kein tellergroßer Krater aus dem Putz (das, was ich am meisten fürchte). Vielmehr dauerte es 20 Minuten, bis ich das Bohrloch weit genug vertieft und verbreitert hatte - ich fange immer mit dem kleinsten Durchmesser an, egal wie dick der Dübel ist. An der rechten oberen Ecke wiederholte sich das Ganze: gefühlter Fels, 15 Minuten. Dafür befand sich rechts unten offenbar nur Luft. 20 Sekunden und ein Hauch von Ziegelstaub. Erst das vierte Loch leistete nicht zu viel und nicht zu wenig Widerstand.
Es grenzt an ein Wunder, dass die Dübel 1.) halten und 2.) auch noch an den richtigen Stelle sitzen: Versucht ihr mal, mit zwei Händen eine 120 x 90 cm große Platte einigermaßen waagrecht an die krumme Wand zu halten (aber so, dass nicht das ganze Gewicht an dem ersten, einzigen Dübel hängt) und gleichzeitig noch die Bohrlöcher für die drei anderen Ecken mit einem Bleistift anzuzeichnen ... Doch was soll ich sagen: Nach zwei Wochen hängt das Dingens noch immer fest im Blickfeld der Kursteilnehmenden. Allerdings ist es an der Wand ein wenig dunkel. Das nächste Projekt steht also schon ins Haus: Mission "Beleuchtung". Vielleicht lege ich mir dann endlich mal einen neuen Satz Bohrer zu.
Ich liebe Technik. Vor allem, wenn sie funktioniert. Und für einen Autor ist ein Drucker essentiell - denn er erledigt ja heute in den meisten Fällen das eigentliche "Schreiben" im physikalischen Sinn. Das Wort Manuskript kommt zwar von handgeschrieben, jedoch entstehen professionelle Manuskripte heute ausnahmslos auf einem Drucker (und die meisten Verlage und Agenturen nehmen zur Prüfung eines Veröffentlichungsangebots immer noch lieber Ausdrucke als Dateien entgegen). Auch jeder Diplomand und jede Bacherlorkandidatin kann ein Lied davon singen, wie lästig es ist, wenn kurz vor dem Abgabetermin spätnachts der Drucker versagt. Zeit, diesem Gerät mal wieder eine Würdigung zukommen zu lassen.
Durch Zufall habe ich heute einen Artikel wiedergefunden, den ich 2012 auf meinem alten Blog meinem Drucker gewidmet habe. Es handelte sich um einen bereits damals über 10 Jahre alten Brother HL-1450. Und was soll ich sagen - nicht nur läuft das Ding immer noch bei mir zu Hause, ich habe mir zwischenzeitlich sogar für mein Schreibatelier noch einen zweiten angeschafft. Gebraucht natürlich, für gut 30 Euro. Damit kostete er nicht mal ein Zehntel des heimischen Geräts. Nur mit dem Verbrauchsmaterial ist es so eine Sache. Eine Tonerkartusche für den Laserdrucker liegt gerne mal im dreistelligen Bereich, wenn man nicht auf ebay irgendwelche Restbestände erhascht. Genauso die Druckertrommel, die auch regelmäßig ausgetauscht werden muss. Immerhin habe ich inzwischen rausgefunden, wie man die Tonerkartusche GANZ leer macht: indem man den Sensor überklebt, der schon den Druckerstillstand einleitet, wenn eigentlich noch Farbe für hunderte von Seiten drin ist... doch irgendwann ist wirklich Sense und dann habe ich schon mal Material erwischt, das grottenschlechte Ausdrucke produziert. Eine Weile lang beglückte ich daher meine Kursteilnehmer mit grauschleierigen, nicht ganz farbechten Handouts und entschuldigte mich jedes Mal damit, mein Drucker gebe langsam den Geist auf. Dem war aber nicht so: Nach der Anschaffung des nagelneuen Farbgeräts (mit Scanner, Kopierfunktion und allen Schikanen) stellte ich fest: Es lag - wieder einmal - am Verbrauchsmaterial. Nachdem ich wieder Originalteile ohne Lagerschäden eingesetzt habe, produziert der gute alte Laser von neuem gestochen scharfe Ausdrucke - gut und günstig für größere Textmengen.
Den neuen Mehrfarbigen nutze ich nun gerne für Flyer und kleine Plakate. Und meine Kursmaterialien werden künftig nicht nur sauberer, sondern auch bunter aussehen :-)
ein Flirren von Verkehr und Hitze
36 Grad im Schatten
den es nicht gibt
und 60 km/h auf dem
Asphalt
weiße Streifen, die bei Grün
die Brandung teilen
ohne Gischt
Musik aus beweglichen Innenräumen daneben
Motoren und Rollgeräusche
scharfe Strahlen kratzen
an Fassaden und mulchen
den Gehsteigrand
unbeteiligt die Haltestelle
ohne Bus
ohne Fahrgäste
bei Rot
steht die Zelle
im Vakuum
bereit an der einsamsten
aller Straßen
eine Sekunde
Sie haben Wände aus Glas, eine Tür und dieses grau-magentafarbene Interieur. So ziemlich alles an ihnen ist gerade, im Winkel. Sogar der Hörer. Nur die Tasten sind leicht abgerundet. Hinein geschraubt in diese eckige Abgeschlossenheit: Der klobige Telefonapparat, sein Deckel waagrecht. Eine kleine Konsole, auf die man beim Telefonieren ein Notizbuch auflegen kann, gleich neben die verendeten Insekten. Zweckmäßig ist das. Wer kommuniziert, möchte Informationen erhalten und sie festhalten. Vielleicht aber auch nicht. Ich erinnere mich noch an die Zeit in meiner allerersten Wohnung, ohne Telefon und ohne Handy. Die so genannte fernmündliche Kommunikation erforderte einen Spaziergang zu einer der wenigen Telefonzellen im Ort. Die war damals noch pummelig gelb und wenn man Glück hatte, hob der andere auch ab. Liebesworte wurden ausgetauscht, ein Stelldichein vereinbart. Zumindest aber war es trocken in diesen Zellen und manchmal auch warm; vielleicht auch stickig. Als die ersten Handys aufkamen, sah man manchmal noch Menschen damit in Telefonzellen Zuflucht suchen. Heute sind diese kleinen Wind- und Wetterschutzhäuschen weitgehend aus dem öffentlichen Raum verschwunden; öffentliche Telefone hängen an minimalistischen Stelen unter einem Stummeldach.
Umso überraschender, wenn ich hin und wieder doch auf eine dieser letzten echten Zellen treffe. Ein Exemplar steht beispielsweise hier in Regensburg neben dem Goethe-Gymnasium. Doch in einer Zeit, in der schon Grundschüler von ihren Eltern mittels Handy fernüberwacht werden, ist sie überflüssig geworden. Wahrscheinlich hat noch niemand außer mir bemerkt, dass das Telefon nicht mehr funktioniert. Entschuldigung, zur Zeit gestört, steht auf dem Display zu lesen. Stören tut das wahrscheinlich niemanden.
Die Gläser sind voll sandigem Staub. Die Zeitung lässt sich nicht mehr umblättern, seit Zement zwischen die Seiten geraten ist. Im Kühlschrank lagern wärmedämmende Ziegel. Das Bett wurde gegen den Dachstuhl getauscht, nachts leuchten die Sterne durch den halbfertigen Kamin. Rohre atmen leise. Wasser rasselt unterm Keller. Maßzeichnungen zieren das Klo. Ein Metermaß für mein Kuchenrezept! Im Ofen simmert Dichtungsschlämme. Dachpfannen geben den Ton an. Eine Wand nach der anderen putzt sich heraus. Das Kranauge sieht alles. Die Säge kreißt und gebiert sieben neue Sägen: Handsäge, Stichsäge, Kreissäge 2, Schattenfugenfräse, Laubsäge, Fuchsschwanz und Motorsäge. Und ewig schweigen die leeren Wälder. Ein Lastwagen kommt zu Besuch. Der Bagger verschläft und kommt erst wieder zu sich, als der Fäustling ihn trifft. Hammer und Meißel geben sich ein Stelldichein. Stahl und Glas verabreden sich zu einem Date. Beton ist Beton, und Schlamm ist Zufall. Zwei Zangen begreifen sich nicht. Stromausfall: Der Zufallsgenerator springt nicht an.
Edward Snowden auf der Flucht vor der NSA. Datenklau durch Google, Amazon und Co. Sechzehn Millionen ergaunerte Zugangsdatenkombinationen. Dicke Luft wegen des ausgespähten Kanzlerinnenhandys. Was ist geworden aus dem Versprechen unbegrenzter (Informations-)Freiheit und digitaler Mobilität?
Technik, Politik und der "größte Bluff der Weltgeschichte" ist der Titel der heutigen Ausgabe von Lesart, einer Sendung auf Deutschland Radio Kultur. Es ging um das Sammeln und Auswerten enormer Datenmengen - ausgehend von der Tatsache, dass die weltweite Verfügbarkeit von Daten und die Vernetzung von Millionen Menschen einst ein Menschheitstraum war, der durch das Internet wahr zu werden schien.
Doch es ist ein schmaler Grat zwischen Transparenz und Überwachung. Leider leben wir nicht in einer Welt, in der wir einander vorbehaltlos vertrauen dürfen; die Preisgabe von Daten im Internet ist immer ein Risiko. Auch wenn viele Menschen das nicht weiter zu beunruhigen scheint: Heute hörte ich im Radio, dass ungefähr 1,6 Millionen Betroffene durch den BSI-Sicherheitstest erfuhren, dass ihre Mailadresse und Zugangsdaten zu den "gekaperten" gehören. Die anderen 90 % wissen noch nichts davon. Vielleicht ist es ihnen egal. Oder ihre Rechner sind längst lahmgelegt...
Vermutlich ist das wirtschaftsstarke Deutschland ein besonders guter Markt für geklaute Zugangsdaten - allein schon zahlenmäßig. Denn während Europa zu den bestvernetzten Regionen gehört, hat mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung noch gar keinen Zugang zum Internet.
Unser Wohlstand macht uns anfällig. Nicht für Hunger, Durst oder extreme Umweltbedingungen. Aber für den Verlust unserer Privatsphäre und den Missbrauch unserer Daten. Auch der kann im Zweifel existenzbedrohend sein und die Teilhabe am (Wirtschafts-)Leben verhindern - etwa, wenn ein Jobbewerber durch ungünstige Aktivitäten in Sozialen Netzwerken auffällt oder plötzlich kein Konto zu bekommen ist, weil die Auswertung irgendeiner intransparenten Datenbank eine schlechte Zahlungsmoral erwarten lässt.
Noch nie war es so einfach, persönliche Meinungen, Fotos oder biografische Daten auszutauschen - und noch nie hatte der oder die einzelne so wenig Kontrolle darüber, was damit geschieht.