Wie kommt man in der Fremde zurecht, wenn man die Sprache nicht versteht? Die Situation macht demütig gegenüber der Lage von Flüchtlingen, die nicht freiwillig reisen wie ich. Immerhin teilt meine Muttersprache mit dem Ungarischen das Alphabet. Nur manche Laute werden mit ein oder zwei nahezu halsbrecherisch schiefen Strichen gedehnt.
Zumindest versuche ich auf Ungarisch zu danken und zu grüßen. Der Rest funktioniert auf Englisch, Pantomimisch oder durch konkludentes Handeln. Zum Beispiel im Gemüseladen: Ein Jó napot! schmettern, Gemüse einsammeln und auf die Theke legen; ein kleines Stückchen Thermopapier sagt mir, was ich schuldig bin: Köszi, lieber Gott und Allah, für die arabischen Ziffern! Denn Zählen und Beten, das lernt man in einer Fremdsprache nie so richtig - das erklärte mir meine ungarische Nachbarin (mit einem lediglich klitzekleinen Akzent) in dem niederbayerischen Dorf, in dem ich aufgewachsen bin. Hätte ich damals nur besser aufgepasst, als sie ihren Kindern Ungarisch beibrachte. So kann ich heute, bis auf den vertrauten Klang der fremden Worte, kaum auf etwas zurückgreifen. Trotzdem gibt es Tricks und Hilfen: In der Filiale einer deutschen Drogeriemarktkette treffe ich auf wohlbekannte Produkte. Das stelle man sich in deutschen Supermärkten vor: Shampoo, Tee oder Slipeinlagen beschriftet auf, sagen wir mal, Arabisch. Und nur manches davon mit einem verschämten Aufkleber auf der Rückseite eingedeutscht. Vieles ist selbsterklärend, aber wer möchte schon die Rasiercreme mit der Zahnpasta verwechseln?
Ungarn ist kein Einzelfall. Schon beim Auslandssemester in Dänemark lernte ich, dass dort viele Fachbücher nur auf Deutsch oder Englisch verfügbar sind und Kinofilme für Erwachsene meist nur
untertitelt werden. Vielerorts drängelt sich die deutsche Sprache einfach vor.
Auf diese Weise fand ich auch den Thymiantee gegen meinen Husten. Auf ungarisch heißt der Thymian übrigens kakukkfű - wer hätte das gedacht? Versteckte Hinweise dagegen gibt der
Spitzwegerich, Lándzsás útifű. Lándzsá wie Lanze, und das Wort útifű kann eigentlich nur mit utca (Straße) verwandt sein, das mir hier überall begegnet.
Trotzdem kam ich eher wegen der Aufmachung der Schachtel zu meinem Hustensirup - botanische Kenntnisse sind in fremden Umgebungen auch sehr hilfreich! Und trotzdem verbrachte ich noch geraume
Weile mit dem Online-Wörterbuch vor dem Regal mit den Erkältungsmitteln. Warum mir das Smartphone ausgerechnet in diesem Moment den Internet-Zugang verweigerte, beibt rätselhaft. Und ich ahne:
ernsthaft krank sein in der Fremde, dabei würde ich mich richtig hilflos fühlen. So aber kann ich ganz entspannt meine Spracherkundungen betreiben.