Es geht nicht um den Autor. Es geht um den Text

Die meisten Menschen beginnen aus Freude mit dem Schreiben. Das kann und soll auch so bleiben. Doch wer professionell schreiben möchte, sollte neben der Leidenschaft auch etwas Leidensfähigkeit mitbringen. Leidenschaft, um bei der Stange zu bleiben. Leidensfähigkeit, weil ein guter Text vor allem durch Überarbeiten entsteht. Und das kann aufwändig und mitunter sogar schmerzhaft sein, wenn lieb gewordene Formulierungen nicht so recht in das Gesamtwerk passen wollen oder stilistisch verbesserungswürdig sind. "Kill your darlings" heißt ein schreibhandwerklicher Grundsatz aus dem angelsächsischen Raum.

 

Gut ist, wenn man versierte Testleser und Testleserinnen zu seinem oder ihrem Freundeskreis zählen darf. Doch nicht jedeR Testleser eignet sich für alles. Der eine kann besser Schwächen im Plot erkennen und benennen (ja, auch das ist wichtig: das Sprechen über Texte erfordert ein gewisses Repertoire). Die andere ist eine gute Stilkritikerin. Ein Schreibprojekt durchläuft verschiedene Phasen und deshalb ist es ratsam, den Rohtext nicht zu früh aus der Hand zu geben - sonst sind die Testleser vor der Zeit verschlissen und man selbst frustriert. Abgesehen davon, dass es wenig Spaß macht, eine Geschichte in unzähligen Versionen wieder und wieder zu lesen: Auch ein noch so aufmerksamer Leser wird die jeweils aktuellere Version nicht mehr völlig unvoreingenommen betrachten und die Wirkung auf die spätere Leserschaft nicht mehr so gut einschätzen können wie zu Beginn.

 

In der Anfangsphase eines Schreibprojektes kann es sinnvoll sein, nur darüber zu sprechen, um sich über den Plot sowie Motive und Charakter der Figuren klar zu werden. Das geht gut mit einem anderen Autor oder in einer Schreibberatung.

 

Erst, wenn man sich Feedback geholt und das Bestmögliche am eigenen Text getan hat, ist ein Lektorat empfehlenswert. Das macht normalerweise der Verlag. Doch um an einen solchen zu kommen, sollte das Manuskript schon vorher optimiert sein. Ideal ist dafür eine Partnerschaft mit einem anderen Autor oder Autorin - um sich gegenseitig zu lektorieren und voneinander zu lernen. Und natürlich gibt es Lektoren, die gegen Honorar arbeiten. Dieses sollte nicht zu niedrig sein - ein Lektorat für Manuskript, das man anschließend wegwerfen oder nochmal bearbeiten muss, ist kein Schnäppchen.

 

Nur eines ist hier fehl am Platze: Falsche Eitelkeit und verletzter Stolz. Denn beim professionellen Schreiben geht es gar nicht um den Autor, die Autorin: Es geht um den Text, der unsere absolute Aufmerksamkeit und Hingabe verdient hat. Getreu dem Leitsatz: Es gibt keine schlechten Texte. Es gibt nur unfertige Texte.