Violette. Ein eindringliches Plädoyer für das Schreiben

 

Ein unglaublich schöner, einfühlsamer Film ist dem Franzosen Martin Provost gelungen. In Violette porträtiert er (wie schon zuvor in der Filmbiografie Séraphine) eine außergewöhnliche Frau, die den Verhältnissen ihrer Zeit und ihrer Herkunft trotzt: Violette Leduc (1907 - 1972).

 

Unehelich geboren im Jahr 1907 als Tochter eines Dienstmädchens, schleppt sich Violette Leduc mit diversen Makeln durch das Leben wie ein krumm gewachsenes Bäumchen. Sie wächst in Armut auf, sie schreibt, sie betreibt Schwarzhandel während des Weltkrieges. Und sie leidet. An sich, an der Gesellschaft, an ihrer vermeintlichen Hässlichkeit, an unerfüllten Sehnsüchten. Ihr bleibe gar nichts anderes übrig, als zu schreiben, sagt ihr ein früher Weggefährte. Und Violette schreibt. Immer schöpft sie dabei aus dem Biografischen. Aus dem Gefühl, ein ungewolltes Kind zu sein, aus den ersten Erfahrungen lesbischer Liebe im Internat, aus der Zeit ihrer kurzen Ehe und einer Abtreibung. Dabei spiegelt ihre ganz persönliche Situation die gesellschaftliche Rolle der Frauen, die erst Jahre später einen neuen Auf- und Ausbruch aus den unterdrückenden Verhältnissen wagen sollten.

 

Wenn Violette liebt, geht es oft daneben; ihr bisheriges Leben scheint ihr schon ein zu großes Defizit an Liebe mitgegeben zu haben. Begehrt sie ausnahmsweise einen Mann, dann liebt auch dieser Männer - und zwar ausschließlich. Ihre größte unerfüllte Liebe aber schenkt sie Simone de Beauvoir, die ihre Unterstützerin und Fördererin wird - und zugleich ihre Rivalin, als Violettes erste Bücher nicht erfolgreich sind.

 

"Jammern Sie nicht, das kann ich nicht leiden", sagt die Beauvoir in einer unvergesslichen Szene zu ihr. Ein Satz, den sich alle erfolglos Schreibenden immer wieder vorsagen sollten. Und: "Schreiben Sie!", ist Beauvoirs Antwort auf so ziemlich alle Fragen, Missstände und Leiden Violettes. Und Violette schreibt, immer wieder. Bis sie am Ende doch erfolgreich ist - eine Mitstreiterin und Wegbereiterin des Neuen Feminismus.

 

Am Ende erfährt Violette endlich die Anerkennung, die sie so lang ersehnt hat. Sie stirbt, wenn vielleicht auch nicht versöhnt mit sich, immerhin als bekannte Persönlichkeit.

 

Für mich ist dieser Film vor allem ein bedingungsloses Plädoyer für das Schreiben - ein Schreiben, das nicht Heilung, aber Rettung ist. Es bewahrt Violettes Lebensfaden vor dem Zerreißen, wo er schon manches Mal gefährlich dünn ist.

 

Ein Film, der zudem wunderbare Bilder und ungewöhnliche Perspektiven hat: Mehr als einmal bekommt der Betrachter die Tür vor der Nase zugeschlagen. Auch wenn die nächste Einstellung dann bereits wieder das Geschehen hinter der Tür zeigt, erzwingt dieser Kunstgriff eine kleine Nachdenkpause. Andere Szenen wirken, als sei man mit im Zimmer, ein lautloser, unentdeckter Eindringling in die Intimsphäre der Figuren. Mit alldem verschmilzt harmonisch die Filmmusik von Arvo Pärt.